Wand im Getriebe

Roman Lang

Solo Show Roman Lang 3. Juli–10. Oktober 2020

Roman Lang stellt in seiner Malerei dekonstruierte und wieder neu-konstruierte Bildelemente nebeneinander und lässt dabei auch diesen Prozess sichtbar werden: In stehengelassenen Vorzeichnungen, linearen Brüchen und Ungereimtheiten in der Bildneukomposition kann der Betrachter die Möglichkeiten nicht nur erahnen, sondern sie reizen ihn selbst Bildinhalt und - träger zu vervollständigen und sich dabei mit den gezielt gesetzten Störelementen auseinanderzusetzen. Die Arbeiten sind nicht hermetisch. Vielmehr lässt sich in ihnen Roman Langs Kritik an starren Systemen erleben.

„Allein das Sampling der klassischen künstlerischen Dualismen ermöglicht ein abstraktes, aber dennoch offenes Bezugssystem“ schreibt Lisa Felicitas Mattheis (Kunsthalle Emden) in dem zur Ausstellung konzipierten Katalog. In der Verwendung von DIY-Materialien aus dem Baumarkt gibt Roman Lang das Totalitätsvermögen vertrauter Stilrichtungen einer öffentlichen Diskussion preis und stellt gleichzeitig die Ambiguität seiner Kunst zur Schau: Sie toleriert ein Verschwimmen sonst feststehender Grenzen ohne dabei an ästhetischer Qualität einzubüßen. Sie ist bedeutungsoffen aber nicht beliebig. Und damit wird sein Werk nicht nur in künstlerischen Diskursen aktuell. Bewusst widersetzt er sich künstlerisch einer kanonischen Kategorisierung und ebenso vorgefassten Denkmustern: WAND IM GETRIEBE.

Text Lisa Felicitas Mattheis

Roman Lang – Ein Vorwort

 

Gibt es wiederkehrende Strukturen, die auf andere Verhältnisse und Disziplinen übertragbar sind und sich immer wieder entsprechen? Sind Systeme flüchtig und wandelbar? Einen Essay mit diesen großen Fragen zu beginnen, mag bei den technoiden Wandgebilden von Roman Lang zunächst wie eine affektvolle Irreführung wirken. Ungegenständlich und ohne Narration scheinen die malerischen Objekte, vom Künstler teilweise als Shaped-Boards bezeichnet und damit auf die zumeist vieleckigen Bildtafeln aus handelsüblichen Holzplatten anspielend. Hier treffen farbige Flächen auf graue Linien, Acryl-Farbe auf Struktur-Sprüh-Lack und harte Kanten auf die Maserung des natürlichen und unbehandelten Holzes. Unweigerlich beginnt sich das Assoziationskarusell im Kopf zu drehen: Bezüge zum Konstruktivismus, zur Konkreten Kunst, zur Hard-Edge Malerei, scheinen in harmonischer Vielstimmigkeit genauso mitzuschwingen, wie Einflüsse von Graffiti, angewandtem Design und einer gewissen Do-it-yourself Baumarkt-Mentalität. High und Low stehen selbstbewusst nebeneinander.

 

Subtil gesetzte Fehlstellen verwehren jedoch eine strenge Einreihung in eine kunsthistorische Tradition: eine vermeintliche Verbindungslinie läuft ins Leere, eine vorgetäuschte illusionistische Tiefe ergibt auf einmal keinen Sinn; an anderer Stelle wurde ein Spritzer Farbe auf dem ansonsten handwerklich perfekt ausgeführten Objekt genauso stehen gelassen wie die feine Bleistiftlinie einer Vorzeichnung. Was bleibt sind Irritation und offene Fragen: Wieso arbeitet der Künstler hier nicht konsequent und sauber? Genau an dieser Stelle kommt das Konstrukt ins Wanken. Die Werke von Roman Lang möchten keine perfekte illusionistische Täuschung oder eine abgeschlossene Vollkommenheit behaupten. Im Gegenteil, das Fragmentarische und das Prozessuale stehen hier im Zentrum und führen die Malerei sprichwörtlich vor. Roman Lang zerlegt diese klassische Kunstgattung in ihre Grundelemente aus Untergrund, Fläche, Linie, Farbe und fügt sie wieder neu zusammen.

 

Der Künstler konstruiert ohne fixes Grundgerüst in Form eines feststehenden Vokabulars. Die Werke verweisen nicht auf externe Strukturen und visualisieren keine konkreten systemischen Begebenheiten. Allein das Sampling der klassischen künstlerischen Dualismen (positiv/negativ, Linie/Fläche, künstlich/natürlich) ermöglicht ein abstraktes, aber dennoch offenes Bezugssystem. In unterschiedlicher Variation ergeben sich so bildeigene Muster, Strukturen und Systeme, die sich durch eine eigene immanente Logik auszeichnen. Gleichzeitig aber schwebt über allem die sanfte Anmutung von Veränderbarkeit, mit der die kleinste Modifikation die „Erzählung“ des gesamten Bildes wandeln kann.

 

 

Durch diese bildnerischen Mittel kommt ein zeitgenössisches Bewusstsein zum Ausdruck, das Auskunft über politische und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse geben kann. Nicht als Behauptung, sondern als Aufforderung zur aktiven Teilhabe sind die Arbeiten zu verstehen: zum Hinterfragen einer vorgegebenen Struktur und zum Vervollständigen oder Weiterführen eines Systems. In Roman Langs Werken spiegelt sich eine gänzlich anti-hierarchische, liberale und grunddemokratische Gesinnung wider, die das gleichwertige und gleichberechtigte Nebeneinander propagiert und trotz vermeintlicher Makel zu einer ästhetischen Einheit bringt.

 

Lisa Felicitas Mattheis, Kunsthalle Emden

Galerie Gisela Clement