Durch die Zeiten Zwischen Körper und Geist

Ulrike Rosenbach

Ausstellung 21.4. – 15.12.2023

PRESSEMATERIAL | PRESSETEXT

 

Die Ausstellung nimmt den 80. Geburtstag von Ulrike Rosenbach zum Anlass, die Künstlerin und ihr visionäres Lebenswerk zu würdigen. Der Fokus der Ausstellung liegt im Besonderen auf der konsequenten und kontinuierlichen Weiterentwicklung zentraler und übergeordneter Konzepte, die sich im Werk der Künstlerin von den 1970er-Jahren bis in die heutige Zeit nachzeichnen lassen. Themen wie Vergänglichkeit und die Rückbesinnung auf vorindustrielle Bildthemen werden dabei im Zentrum stehen und zentrale Werke aus dem Oeuvre von Ulrike Rosenbach vereinen.

 

Als Pionierin der Medienkunst hat die Künstlerin in der Verbindung aus Video, Performance und Skulptur ein vielschichtiges Werk geschaffen, das sich, angefangen mit den radikalen feministischen Forderungen in den 70er-Jahren bis zur Konfrontation mit komplexen Themen wie Tod und Vergänglichkeit, immer wieder neuen Herausforderungen stellt. Durch die Neuauflage und Überführung historischer Installation in aktuelle Technik, wird Ulrike Rosenbach diese Themen in die Jetztzeit überführen und neue Arbeiten entwickeln.

In der Ausstellung stehen mehrere Medieninstallationen von Ulrike Rosenbach im Fokus, die unterschiedliche Aspekte aus dem Gesamtwerk der Künstlerin thematisieren. Bei der eingangs platzierten Arbeit "Zyklus Die Organspenderin" steht ein anatomisches Herzobjekt im Zentrum einer Projektion. Die Szenen auf der Wand zeigen verschiedene Ausschnitte, die sich mit dem lebensnotwendigen Organ befassen. Wiederbelebung, Bilder eines EKG und Aufnahmen aus dem Operationssaal wechseln sich ab, begleitet von einem dumpfen Herzschlag. Auf der gegenüberliegenden Seite des niedrigen und dunklen Kabinetts sind neue Collagen zu sehen, die ebenfalls Organe abbilden, die für eine Organspende infrage kommen. 

Monumental im Treppenhaus platziert, ist die Künstlerin selbst im Close-up in der Videoarbeit "Frau – Frau" zu sehen. Immer wieder haucht sie das Wort 'Frau', während die Kameralinse im rhythmischen Einklang zwischen Schärfe und einer verschwimmenden Ansicht pulsiert. Die Fragilität der zarten Behauptung steht im Kontrast mit der überlebensgroßen Gestalt des Herkules Farnese, einer antiken Figur mit Kult-Status, die auch im 18. Jahrhundert dem Kasseler Landgrafen als passende Krönung seiner Gartenanlage diente und nicht zuletzt auch als würdige Verkörperung seiner Herrschertugenden. Aus dem intensiven Austausch mit den amerikanischen Feministinnen kommend, vollführte Ulrike Rosenbach im Rahmen der documenta 6 anhand des Kasseler Herkules eine feministische Neuauslegung männlichen Größenwahns – erstmalig war auf der documenta 6 eine eigens von Wulf Herzogenrath kuratierte Abteilung für Medienkunst vorgesehen und Ulrike Rosenbach als eine der frühen Vertreter*innen der neuen Medien Teil der Ausstellung. 

Im Obergeschoss stehen zwei Installationen im engen Austausch. "Schmelzprozesse" ist in vielerlei Hinsicht als zentrales Werk von Ulrike Rosenbach zu sehen, so zeigt es zum einen die ständige Weiterentwicklung eines Werkgedankens und zum anderen fand in der 1982 in der Vleeshal in Middelburg realisierten Installation erstmals die Figur des 'Engels' Verwendung. Bei dem Engel, der in zahlreichen späteren Arbeit erneut auftaucht, handelt es sich um den Umriss einer geflügelten Figur aus den Fresken der Mysterienvilla in Pompeji. Ausgehend von ihrer Faszination für die weibliche Flügelgestalt hat Ulrike Rosenbach eine eigene Ikonographie entwickelt, die keiner der geläufigen Interpretationen von Engeln im engeren Sinne folgt. Als Mischwesen ist es im Werk der Künstlerin als Zeichen für Transformation, Vermittler zwischen Räumen, Ebenen und auch Auffassungen zu verstehen. In "Schmelzprozesse" tritt der Engel konkret als Bindeglied zwischen oben und unten in Erscheinung. Zwei Pole, die durch die langen, gelben Kranzbänder in der Installation an Bedeutung gewinnen. Und durch ein Herzpendel, das kurz vor dem Boden Halt macht und mit seinem Gewicht der Bronze ein weiteres Mal oben nach unten zu ziehen scheint, die Besucher*innen einschließen.  

Von Gegenüber schallt die Geräuschkulisse des Videos "Über den Tod" auf den Flur. Das Video wurde 1995 in der St. Petri Kirche in Dortmund gezeigt – damals auf 16 baugleichen Röhrenmonitoren, die in einen Stahlkörper eingelassen waren, der auf dem Boden des sakralen Raumes wie ein Sarkophag aufgestellt wurde. 
In der neu erdachten Präsentation wurde das Bildraster der Monitore im Holzgerüst übernommen, das schräg im Raum aufgestellt eine vergleichbare physische Erfahrung mit dem Tod ermöglicht. Der Tod im Werk von Ulrike Rosenbach ist trotz des ursprünglichen Aufstellungsortes einer Kirche keineswegs ausschließlich den christlichen Vorstellungen entsprungen. Vielmehr lassen sich zahlreiche Symbole und Verweise aus unterschiedlichen Kulturen entdecken. Ein Ouroboros schwebt über den schwer definierbaren Hintergrund, ebenso wie ein Totenkopf und ein tickender Uhrzeiger. Eine flüsternde Stimme beschreibt währenddessen den körperlichen Zerfall nach Eintritt des Todes, ohne vor austretenden Körperflüssigkeiten zurückzuschrecken. 

Galerie Gisela Clement